Diversität fördert Verständnis – und das Geschäft

Eine Ausbildung im interkulturellen Kontext eröffnet Horizonte

Wandel, Flexibilität, Kreativität – all diese Begriffe brauchen vor allem eines: Menschen, die offen und bereit sind, sich immer wieder auf Neues einzulassen.  Durch Vielfalt entstehen mehr Perspektiven und somit mehr Ideen, die sich im ganzen Unternehmen nutzen lassen können.

Die Ausbildung im interkulturellen Kontext ist eines von vielen Instrumenten, die Diversität im Unternehmen zu fördern. Zudem ist sie eine Möglichkeit den Fachkräftemangel gezielt zu beseitigen. Die KAUSA-Landesstelle Niedersachsen hilft ausbildungserfahrenen Unternehmen, der Vielfalt mehr Raum und einen passenden Rahmen zu geben. Dafür haben wir Tipps und Hinweise zusammengestellt, die besonders für kleine und mittlere Unternehmen hilfreich und ohne großen Aufwand umsetzbar sind.

Auszubildende finden

Was können Unternehmen tun, um mit jungen Menschen mit Migrationshintergrund zum Thema Ausbildung in Kontakt zu kommen?

Ausbildungsqualität verbessern

Wie kann sich ein Unternehmen optimal auf Auszubildende vorbereiten? Wie verläuft eine Ausbildung erfolgreich?

Auszubildende fördern

Welche Fördermöglichkeiten gibt es für Auszubildende mit und ohne Migrationshintergrund?

Erfolgreich mit Vielfalt – Best-Practice-Beispiel

 Wir stellen Ihnen einen Ausbildungsbetrieb vor, der Tradition und Moderne perfekt miteinander verbindet und die Chancen der Vielfalt nutzt.

Die Calenberger Backstube Oppenborn OHG, Pattensen

ist in der neunten Generation ein familiengeführtes Handwerksunternehmen mit 25 Filialen und 270 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Jährlich werden im Schnitt 15 Auszubildende in Bäckerei, Konditorei, Verwaltung und Verkauf ausgebildet.

Wir konnten Bäckermeister und Geschäftsführer Kai Oppenborn, Filialleiterin und Ausbilderin Bayda Hassan und den Auszubildenden Mohammad Yousef für ein Interview gewinnen.

Bayda Hassan ist seit fast zehn Jahren im Unternehmen und hat ihre Ausbildung zur Fachverkäuferin -Lebensmittelhandwerk Bäckerei im Unternehmen gemacht. Seit drei Jahre ist sie Ausbilderin und hat außerdem eine Weiterbildung zur Lebensmitteltechnikerin absolviert. Mohammad Yousef ist im zweiten Ausbildungsjahr zum Fachverkäufer Lebensmittelhandwerk Bäckerei.  

 

Das Interview wurde am 17. Mai 2023 geführt. Herzlichen Dank an die drei Interviewten für den Einblick in das Unternehmen und die Ausbildung dort!

Nach welchen Kriterien entscheiden Sie sich für eine/n Bewerber*in? Gibt es Ausschlusskriterien?
Kai Oppenborn: Wichtig ist, dass sie Spaß an der Sache haben, das ist ganz weit oben. Wir gucken natürlich auf das Arbeitsverhalten und die Fehltage im Zeugnis, das ist wichtiger als gute Noten. Außerdem macht jede/r Bewerber*in bei uns einen Eignungstest. Der ist aber nicht immer ausschlaggebend für die Entscheidung, ob wir jemanden einstellen oder nicht, sondern hilft uns, die Stärken und Schwächen der/der Bewerbers*in einzuschätzen, um von vornherein bestmögliche Unterstützung zu bieten. 

Was ist denn gefragt in dem Eignungstest und wie läuft das Bewerbungsverfahren?
Bayda Hassan: Etwas Allgemeinwissen wird im Test gefragt und auch Fragen über das Unternehmen. Denn es gehört ja dazu, dass man sich vorher über die Firma informiert, bei der man sich bewirbt. Ein bisschen Mathe ist natürlich auch dabei. Die letzte Frage ist, was die Wünsche und Ziele während der Ausbildung sind. Der Test dauert ca. eine halbe Stunde. Während des Praktikums kann man aber auch viele Fragen stellen, denn alle machen vorher ein Praktikum von ein bis zwei Wochen. Das ist sehr wichtig, viele kennen den Beruf gar nicht und haben eine andere Vorstellung. Dann können die Bewerber*innen während des Praktikums gucken, ob die Firma zu ihnen passt. Und wir können gucken, ob der Praktikant zu uns passt. Freiwillige Praktika in den Ferien sind bei uns auch möglich und einige Schüler*innen nutzen das auch. 
Kai Oppenborn: Schlussendlich stellt es sich erst im Tun raus, ob es wirklich gepasst hat. Grundsätzlich gibt es aber keine Ausschlusskriterien. 

Wie finden Sie Ihre Auszubildenden?
Bayda Hassan: Wir gehen auf Schulmessen und das Speeddating der Handwerkskammer, suchen aber auch online über die Internetseite und die sozialen Medien und in den Filialen liegen Flyer aus.
Kai Oppenborn: Wenn wir die Möglichkeit bekommen, sind wir immer bei Messen dabei, wenn einer der beiden Ausbilder*innen Zeit hat. Wir werden gesehen und wahrgenommen und das nützt uns. Dieses Jahr haben wir unter anderem alle Schulen der Region angeschrieben und angeboten, dass die Schüler*innen in den Betrieb kommen können, um sich ein Bild von einer modernen Handwerksbäckerei zu machen. Das haben auch einige angenommen, sechs Jugendliche waren da und haben sich im Betrieb informiert. Ein paar Backstubenführungen von ganzen Schulklassen stehen noch aus. Wir hatten vorher einmal Flyer an die Schulen zum Auslegen geschickt, aber das wollten einige Schulen nicht. Die Anschreiben per Mail waren außerdem erfolgreicher als die Flyer-Aktion. Allerdings meinten einige Schulen, sie hätten für uns die falsche Klientel. Ich habe unter anderem mit einer Lehrkraft für Berufsorientierung an der Realschule gesprochen, die meinte „Wir haben hier nicht die richtige Zielgruppe, wenden Sie sich besser an die Hauptschule“. Dabei bieten wir auch das Duale Studium und sogar das Triale Studium an. Ich finde es ziemlich problematisch, wenn Lehrkräfte, die für die Berufsorientierung junger Menschen verantwortlich sind, in der heutigen Zeit noch solche Denkweisen haben.

Wie gehen Sie mit Vielfalt um? Gibt es zum Beispiel bestimmte Werte und Regeln im Betrieb, die sich auf die Zusammenarbeit beziehen?
Kai Oppenborn: Ein gutes Miteinander ist uns wichtig, darauf basiert sehr viel, dass wir gut miteinander klarkommen und respektvoll untereinander sind. Wir erwarten von den Auszubildenden, dass sie sich Mühe geben, bei allem anderen helfen wir dann. In der Schule kann jede*r mal auf dem Schlauch stehen, das kann immer sein. Nur wenn im Arbeits- und Sozialverhalten steht „entspricht nicht den Erwartungen“ und dann noch schlechte Noten dazu kommen, dann wird es schwierig. 

Wie profitieren Sie von der Vielfalt, was sind die Chancen für Ihr Unternehmen?
Kai Oppenborn: Auf jeden Fall sehen wir Chancen. Der Ausbildungsberuf des Bäckers hat überall im europäischen Ausland mehr Ansehen als in Deutschland selbst. Die deutschen Backwaren und die Brotvielfalt sind sehr hoch angesehen im Ausland. Deutschland ist auch das einzige Land, in dem man einen Meistertitel braucht, um Brot gewerblich verkaufen zu dürfen. Nur in Deutschland selbst hat der Beruf so ein Geschmäckle, wie früh aufstehen, nachts arbeiten, es ist staubig usw. was allerdings in der modernen Handwerksbäckerei nicht mehr zutrifft.Es kommen junge Menschen aus anderen Ländern hier her – aus verschiedensten Gründen – und haben Lust darauf, diese Berufe zu erlernen, darin sehe ich eine Chance. Es ist bekannt, dass wir in Deutschland dringend Fachkräfte brauchen, insofern profitieren wir davon. Natürlich ergeben sich daraus auch Herausforderungen.
Bayda Hassan: Eine Chance ist auch, dass wir viel voneinander lernen. Die Arbeitsmentalitäten sind unterschiedlich, was aber nicht nur von der Herkunft abhängt. Aber man lernt viel voneinander und untereinander. 

Wie gehen Sie mit individuellen Bedürfnissen um?
Bayda Hassan: Es gibt keine besonderen Regelungen. Klar gibt es beim Arbeitsplan Wünsche, der eine möchte früh arbeiten, der andere lieber später. Aber darauf stellen wir uns bestmöglich ein.

Was wünschen Sie sich als Unterstützung bei der Suche nach passenden Auszubildenden und auch während der Ausbildung?
Kai Oppenborn: Die ganze Bürokratie, die dahinter hängt, ist ein Problem. Wir haben z.B. zwei Auszubildende aus Vietnam die mit einem hochqualifizierten

Visum für ein Studium nach Deutschland gekommen waren. Mit dem Studium klappte es nicht und dann wollten sie bei uns eine Ausbildung machen. Mit einem hochqualifizierten Visum können sie aber keinen Ausbildungsvertrag unterschreiben. Dafür bräuchten sie ein neues qualifiziertes Visum aus Vietnam.
Um das zu bekommen, brauchen sie aber einen Ausbildungsvertrag, den wir nicht schließen können, weil sie ein falsches Visum hatten. Das Ganze hat dann drei Monate gedauert und es ging nur, weil wir uns dahintergeklemmt haben. Bei kleineren Unternehmen stelle ich mir das extrem schwierig vor, weil der Aufwand so hoch ist. 
Ein weiteres Thema ist die Schulausbildung. Da muss dringend etwas passieren, um den aktuellen Anforderungen des Ausbildungsmarktes gerecht zu werden. Es geht um die fachtheoretische Ausbildung in Kombination mit der sprachlichen Ausbildung. Junge Menschen, die sich für unsere Berufe begeistern gehen uns verloren, wenn es in der Schule und auch Richtung Prüfung sprachlich schwierig wird. Dazu gab es schon mehrere Termine mit der Handwerkskammer, der Innung, der Schule BBS 2 und dem Kultusministerium. Fest steht, dass es schon viele Angebote gibt, die der Sprachförderung speziell für Auszubildende dienen. Fakt ist aber auch, dass es keine zentrale Stelle gibt, die diese Vielzahl an Angeboten koordiniert. Hier besteht dringend Handlungsbedarf.
Die Bäckerinnung Region Hannover und der Landesinnungsverband Niedersachsen/Bremen setzen sich aktuell für diese Thema ein. Wir haben auch mi der BBS2 eine tolle Schule, die sich engagiert und würden gerne als Bäcker vorweg gehen. Denn egal was aktuell angeboten wird, es ist immer auf freiwilliger Basis, entweder der Betrieb stellt frei oder der Auszubildende sagt, zu meinen 40 Stunden Ausbildung gebe ich noch ein paar Stunden oben drauf. Das ist echt ein Problem. 

Was würden Sie Unternehmen empfehlen, die zum ersten Mal Jugendliche mit Migrationsgeschichte ausbilden?
Bayda Hassan: Wenn man sich für Auszubildende entscheidet, die der deutschen Sprache nicht so mächtig sind, braucht man Zeit und muss sie unterstützen, aber das lohnt sich auch.
Kai Oppenborn: Wir merken gerade im Verkauf, wie steil die Lernkurve ist, wie schnell die Auszubildenden Deutsch lernen. Die Zeit und Geduld sollte man investieren. 

 

 

Fragen an den Auszubildenden Mohammad Yousef:

 

Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?
Mohammad Yousef: Ich habe Bayda beim Speeddating der Handwerkskammer getroffen, den Beruf kannte ich vorher nicht. Ich hatte mich bei mehreren Unternehmen auch für andere Berufe beworben und viele Ablehnungen bekommen. In einem Vorstellungsgespräch hat der Arbeitgeber gefragt: An meiner Stelle, wen würden sie nehmen, einen Deutschen oder sie? Wegen meiner Sprache, das war schwierig, aber man lernt auch. Ich wollte unbedingt einen Ausbildungsplatz finden, denn eine Ausbildung ist besser als nur arbeiten. Jetzt bin ich im zweiten Ausbildungsjahr, nächstes Jahr mache ich die Prüfung.

Was gefällt Ihnen bei der Arbeit?
Mohammad Yousef: Mir macht die Arbeit mit den Kollegen Spaß, der Arbeitgeber ist sehr aufmerksam. Die Kollegen bringen mir Deutsch und die Kommunikation miteinander und mit den Kunden bei. Ich mache alles gerne, ich fange morgens in der Frühschicht um sechs Uhr an. Den Arbeitsplan bekomme ich rechtzeitig, immer 1 ½ Monate vorher.

Wie haben Sie die Ausbildung bei der Calenberger 
Backstube gefunden?
Mohammad Yousef: Beim Speeddating der Handwerkskammer, ich war zu der Zeit in einer Maßnahme beim BNW (Bildungswerk der Niedersächsischen

Wirtschaft), sie haben mir beim Lebenslauf geholfen und bei den Bewerbungsunterlagen und mich vorbereitet. Es waren auch noch Corona-Maßnahmen beim Speeddating, man musste warten und Abstand halten.

Was würden Sie anderen Jugendlichen empfehlen, die auf der Suche nach einer Ausbildung sind?
Mohammad Yousef: Ich komme aus Syrien und bin seit 2015 in Deutschland. In der ersten Zeit in Deutschland verliert man viel Zeit, wenn man auf seinen Aufenthaltstitel wartet. In dieser Zeit durfte ich keinen Deutschkurs machen und durfte auch nicht arbeiten. Das ist verlorene Zeit. Man sollte sich ein Ziel suchen und versuchen, Deutsch zu lernen. 

Bayda Hassan: Es ist nicht gut, dass man in den ersten Jahren, wenn man auf seine Anerkennung wartet, nicht Deutsch lernen kann. Wir hatten zum Beispiel eine Auszubildende, die kaum Deutsch konnte und nach einem Jahr im Verkauf konnte sie gut sprechen. Das ist viel sinnvoller. Mohammad Yousef: Im Kurs lernt man nicht so viel, wie bei der Arbeit, man lernt viel Grammatik, aber nicht sprechen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Mohammad Yousef: Ich wünsche mir für die Zukunft meine Ausbildung abzuschließen, einen guten Job und das Leben in Sicherheit und Freiheit zu genießen.   



Einfach durchstarten und flexibel sein

Das Unternehmen Elektro Rieger mit 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist ein erfolgreicher Ausbildungsbetrieb in Langenhagen. Wir konnten Geschäftsführer Michael Huwald, Betriebsleiter Florian Serdjukow und den Auszubildenden Matyos Haji für ein Interview gewinnen. Am 13. Juni 2022 waren wir vor Ort und haben viele Fragen gestellt:

Nach welchen Kriterien entscheiden Sie sich für eine Bewerberin oder einen Bewerber? Gibt es Ausschlusskriterien?
Florian Serdjukow: Wir gucken relativ wenig auf das Zeugnis, eher ob die Unterlagen ordentlich geführt sind. Wenn es dann zum Gespräch kommt, schauen wir uns mehr das persönliche an und gehen wenig ins Fachliche. Hat der Bewerber wirklich Lust und weiß was er will. Wie ist er menschlich drauf? Sicher gucken wir auch auf die Versäumnistage, da frage ich auch manchmal nach. Aber entscheidend ist, steht der Bewerber gut im Leben oder ist das alles sehr wackelig.

Wie finden Sie Ihre Bewerber*innen?
Wir bekommen unterschiedlich viele Bewerbungen, letztes Jahr waren es sehr wenige. Dieses Jahr kommen wesentlich mehr Bewerbungen. Aber es ist auffällig, dass die Bewerbungen dieses Jahr viel später kommen, ab Mai vermehrt. Normalerweise wäre die Bewerbungszeit eher im Frühjahr.
Michael Huwald: Wir nutzen viel die Jobportale, z.B. die Börse der Handwerkskammer, Arbeitsagentur, Azubi21 u.a. und informieren in den sozialen Medien. Aber wir kennen viele kleine Firmen mit zwei oder drei Mitarbeitern, die bekommen null Bewerbungen. Es ist eine dramatische Entwicklung. Noch sind wir nicht betroffen, weil wir größer sind, diese Qualität bieten und außerdem auch in der Öffentlichkeit präsent sind, über die Kampagne der Handwerkskammer oder soziale Medien.

Sie waren im Mai beim Matching an der BBS Metall- und Elektrotechnik dabei. Wenn es noch mehr Matching-Formate wie Messen oder anderes gäbe, wären sie offen?
Florian Serdjukow: Im Frühjahr hatten wir wenig Bewerbungen, so dass wir uns am Matching an der BBS ME beteiligt haben und das war auch gut. Was ich mir noch vorstellen könnte ist, dass wir von den Schulen die Informationen zu den Praktika bekommen und mehr Praktikanten über die Schulen bekommen. Da haben wir selten Bewerbungen.
Michael Huwald: Ich könnte mir vorstellen, dass wir bei den Schulen auf die Liste gesetzt werden als Praktikumsbetrieb oder als Kooperationspartner mit den Schulen arbeiten.

Gibt es Unterschiede in den Gesprächen zu der Zeit vor Corona?
Florian Serdjukow: Das ist schwer zu sagen, es gibt immer die Jugendlichen, bei denen sieht man gar keine Vorbereitung, auch keine Ambitionen. Man hat das Gefühl, es ist wie eine Pflichtveranstaltung. Dann gibt es Jugendliche, die total aufgeregt sind und gar nicht wissen, was sie erzählen sollen, weil sie unbedingt diesen Ausbildungsplatz wollen und dann gibt es die, die sich einfach gut verkaufen, die gut dastehen und wissen, was sie wollen. Ich würde keinen Strich ziehen und sagen vor Corona nach Corona.

Wie gehen Sie mit Vielfalt um, gibt es z.B. bestimmte Werte und Regeln im Betrieb, die sich auf die Zusammenarbeit beziehen?
Florian Serdjukow: Wenn die Azubis starten bekommen sie eine DIN A 4 Seite mit Spielregeln. Wir schauen sehr konsequent danach, dass sie sich an diese Regeln halten. Unter anderem, dass die Berichtshefte regelmäßig abzugeben sind, dass man die Sicherheitsschuhe trägt, den Werkzeugkoffer von Baustelle zu Baustelle mitnimmt. Zu Beginn meiner Tätigkeit bei Elektro Rieger habe ich diese Regeln aufgestellt, sie wurden auch mit dem Betriebsrat abgestimmt. Alle Azubis unterschreiben, dass sie es gelesen haben und halten sich auch daran.

Wie profitieren Sie von der Vielfalt? Was sind die Chancen für Ihr Unternehmen?
Michael Huwald: Wir sind total froh, dass wir diese Vielfalt im Unternehmen haben. Zum einen wäre sonst der eine und andere Ausbildungs- oder Arbeitsplatz nicht besetzt, aber gerade die Kollegen mit Migrationshintergrund haben eine andere Mentalität, vor allem der Wille zu arbeiten, eine hohe Bereitschaft, sich reinzuhängen. Man sieht das z.B. auch bei der Krankheitsquote.

Wie gehen Sie mit individuellen Bedürfnissen oder Konflikten um?
Florian Serdjukow: Wir sprechen darüber und finden immer eine gemeinsame Lösung.
Michael Huwald: Es gibt auch keine Vorbehalte von den Kollegen auf den Baustellen. Was gar nicht gehen würde, ist rechtsradikales Gedankengut von Mitarbeitern. Aber so jemanden würden wir auch nicht einstellen.
Florian Serdjukow: Bei Schwierigkeiten sprechen wir mit allen Beteiligten und sagen auch, wenn uns etwas nicht gefällt.

Was wünschen Sie sich als Unterstützung bei der Suche nach passenden Auszubildenden und auch während der Ausbildung?
Michael Huwald: Ich würde mir wünschen, dass in den Schulen nochmal anders auf das Thema Berufsvorbereitung und Berufswahl eingegangen wird. Man merkt, es ist alles sehr auf Wissensvermittlung fokussiert. Das bezieht sich nicht nur auf die Berufswahl, sondern auch auf alles andere da draußen, vom Handyvertrag bis zu Versicherungen, also einfach auf das Leben vorbereitet zu werden. Dazu reicht die Praktikumswoche nicht aus. Wichtig ist, sich mit selbst auseinandersetzen und zu wissen: Das sind die möglichen Ausbildungswege und Berufe. Dann kann ich erst entscheiden, welcher Weg in meinem Leben der richtige ist, zumindest für die nächsten Jahren. Es wäre schön, wenn die Jugendlichen auf diesem Weg nicht nur auf die Eltern und Freunde angewiesen wären, sondern auch von Schule und Bildungsträgern Angebote gemacht werden.
Florian Serdjukow: Die Kommunikation mit der BBS ist manchmal schwierig, man bekommt die Anmeldedaten manchmal sehr spät. Einmal haben wir die Einschulung verpasst, weil wir die Information nicht bekommen haben. Man muss hier viel hinterher telefonieren, vor allem zum Ausbildungsstart. Wir hatten jetzt einen Auszubildenden, der seine Ausbildung erst im Januar begonnen hatte. Das letzte halbe Jahr hatte er ja keine Schulklasse mehr. Wir mussten bei der BBS hinterher telefonieren, in welche Klasse er denn jetzt eigentlich gehen wird. Das war lange nicht klar und das ist stark verbesserungsdürftig.
Michael Huwald: Probleme gibt es auch im Ausbildungszentrum der Handwerkskammer in Garbsen. Einige überbetriebliche Lehrgänge wurden gestrichen, es fehlt an Ausbildern dort. Manche Meister gehen in die freie Wirtschaft. Das ist sehr schade, drei von zwölf Blöcken wurden gestrichen. Es ist noch nicht so richtig klar, wie damit umgegangen wird.

Was würden Sie Unternehmen empfehlen, die zum ersten Mal Jugendliche mit Migrationserfahrung ausbilden?
Florian Serdjukow: Ich wüsste nicht was man da groß an Vorbereitung braucht. Einfach durchstarten.
Michael Huwald: Den Kopf aufmachen und flexibel sein.
Florian Serdjukow: Es gibt nichts wo ich sagen würde, darauf müssen sie jetzt besonders achten.

Herr Haji, wie lange sind sie in Deutschland und aus welchem Land kommen Sie?
Matyos Haji: Ich komme aus dem Irak. Mit 16 Jahren bin ich mit der Familie nach Deutschland gekommen, jetzt bin ich 23 Jahre alt. Zuerst habe ich zwei Jahre Deutsch gelernt bis zum B2 Niveau. Damals wohnten wir in Bad Salzuflen, aber es gab dort nicht viele Chancen, einen Ausbildungsplatz zum Elektroniker zu finden. Deshalb bin ich nach Hannover gezogen. Hier habe ich in einem kleinen Unternehmen einen Platz gefunden.

Wie haben Sie ihren ersten Ausbildungsbetrieb gefunden?
Matyos Haji: Damals habe ich bei MCDonalds gearbeitet und der Meister des Unternehmens hat dort immer seinen Kaffee geholt und wir haben uns unterhalten. So habe ich den ersten Ausbildungsplatz gefunden. Aber wir kamen nicht gut klar. Ich musste vier Monate warten, bis ich meine Arbeitskleidung und Sicherheitsschuhe bekam. Manchmal musste ich acht Stunden durcharbeiten und durfte keine Pause machen. Ich habe dort aufgehört und gedacht, es ist überall in den Betrieben so. Aber es ist nicht so. Zum Glück habe ich weitergemacht und Elektro Rieger gefunden.

Wie haben Sie den Ausbildungsplatz bei Elektro Rieger gefunden?
Matyos Haji: Durch die Oskar-Kämmer-Schule, dort hat man mir geholfen, die Ausbildung bei Elektro Rieger weiterzumachen. Ich war bei der Agentur für Arbeit, die mich an die Oskar-Kämmer-Schule vermittelt hat.
Michael Huwald: Wir haben zum ersten Mal einen Auszubildenden über die Oskar-Kämmer-Schule. Das ist für uns eine Win-Win-Situation, denn es ist ja wie eine verlängerte Probezeit und dass Herr Haji hier so gut einschlägt und einen so guten Job macht, das hat uns umso mehr gefreut. Jetzt kann ich sagen, ich hätte Herrn Haji auch so eingestellt, aber das weiß man ja vorher nicht. Es ist gut, dass es so einen Bildungsträger wie die Oskar-Kämmer-Schule gibt, für die Jugendlichen, die Unterstützung brauchen. Aber eigentlich ist Herr Haji kein Kandidat dafür, er hätte sicher auch mit Bewerbungen einen neuen Ausbildungsbetrieb gefunden, nachdem er schon zwei Jahre Ausbildung gemacht hatte und mit seiner Arbeitseinstellung.

Herr Haji, welche Unterstützung bekommen Sie von der Oskar-Kämmer-Schule?
Matyos Haji: Ich habe immer Blockunterricht in der Berufsschule. Wenn ich Arbeitswochen haben, besuche ich donnerstags immer die Oskar-Kämmer-Schule und bekomme Hilfe z.B. beim Berichtsheft oder wenn ich eine Frage nicht verstanden habe.

Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden und wir läuft es in der Ausbildung?
Matyos Haji: Ich wollte immer schon Elektroniker werden, schon als Kind wollte ich immer mit Strom arbeiten. Meine Ausbildung ist 90 % Mathe, das kann ich sehr gut, aber ich verstehe manchmal den Text nicht. Ich lese die Aufgaben und frage mich: Was will man von mir wissen?  Der Text ist schwer. Wenn ich die Frage verstanden habe, kann ich das sehr gut machen. Anfang Januar ist meine Prüfung nach insgesamt dreieinhalb Jahren.

Was gefällt Ihnen gut an der Ausbildung bei Elektro Rieger?
Matyos Haji: Mir gefällt alles gut, vor allem gegenüber der alten Firma. Bei Elektro Rieger habe ich alles gleich bekommen, Arbeitskleidung und -schuhe, Schutzbrillen, einfach alle Sachen für die Arbeit. Ich habe jetzt ganz neu eine Werkzeugtasche bekommen, die ich mitnehme von einer Baustelle zur anderen. Die Leute gefallen mir hier, alle sind sehr nett, man kann sich mit allen unterhalten, mit dem Chef, dem Betriebsleiter, den Monteuren, den anderen Azubis. Wir verstehen uns halt gut. Es gibt Leute die aus verschiedenen Ländern kommen, das ist auch gut, man lernt neue Kulturen von den anderen kennen. Wir haben ein festes Team, wir arbeiten mal auf Großbaustellen, in kleinen Wohnungen, im Kundendienst. Wir bekommen den Plan immer Ende der Woche für die nächste Woche. Am liebsten mache ich Kundendienst, das ist am besten. Aber ich habe auch keine Probleme, wenn ich auf der Großbaustelle arbeite.

Was würden Sie anderen Jugendlichen empfehlen, die auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind?
Matyos Haji
: Zuerst ich würde sagen, dass man die Sprache lernen muss. Es gibt viele Möglichkeiten in Hannover, es gibt viele Schulen und viele Kurse. Nach ein bis zwei Jahren Sprache lernen wäre eine Ausbildung sehr gut.  Jeder der kommt muss irgendwann arbeiten, dafür braucht man zuerst die Sprache und ich würde sagen, für die Unterstützung ist die Agentur für Arbeit sehr gut.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Matyos Haji: Ich möchte in Deutschland bleiben, hier ist es sicher, was das Leben angeht und die Gesundheit. Wenn ich ein gutes Leben haben will, muss ich arbeiten. Ich mache meine Ausbildung zu Ende und ich werde bei Elektro Rieger weitermachen.

 

Nutzen Sie das KAUSA-Angebot – und bringen Sie das Thema Ausbildung nach vorn!

Die Beratung und die Angebote der KAUSA-Landesstelle Niedersachsen sind für Sie kostenfrei, da das Programm über das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Sie melden sich einfach für ein Erstgespräch bei uns an. Das können Sie gleich hier online erledigen – oder Sie rufen den Standort Region Hannover an.