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Diversität fördert Verständnis – und das Geschäft
Eine Ausbildung im interkulturellen Kontext eröffnet Horizonte
Wandel, Flexibilität, Kreativität – all diese Begriffe brauchen vor allem eines: Menschen, die offen und bereit sind, sich immer wieder auf Neues einzulassen. Durch Vielfalt entstehen mehr Perspektiven und somit mehr Ideen, die sich im ganzen Unternehmen nutzen lassen können.
Die Ausbildung im interkulturellen Kontext ist eines von vielen Instrumenten, die Diversität im Unternehmen zu fördern. Zudem ist sie eine Möglichkeit den Fachkräftemangel gezielt zu beseitigen. Die KAUSA-Landesstelle Niedersachsen hilft ausbildungserfahrenen Unternehmen, der Vielfalt mehr Raum und einen passenden Rahmen zu geben. Dafür haben wir Tipps und Hinweise zusammengestellt, die besonders für kleine und mittlere Unternehmen hilfreich und ohne großen Aufwand umsetzbar sind.
Auszubildende finden
Ausbildungsqualität verbessern
Auszubildende fördern
Erfolgreich mit Vielfalt – Best-Practice-Beispiel
Wir stellen Ihnen einen Ausbildungsbetrieb vor, der schon lange die Vorteile einer vielfältigen Belegschaft nutzt und die Zusammenarbeit aktiv gestaltet.
Die Elektro Rieger GmbH, Langenhagen
„Einfach durchstarten und flexibel sein“

Das Unternehmen Elektro Rieger mit 50 Mitarbeiter*innen und ist ein erfolgreicher Ausbildungsbetrieb in Langenhagen. Wir konnten Geschäftsführer Michael Huwald, Betriebsleiter Florian Serdjukow und den Auszubildenden Matyos Haji für ein Interview gewinnen. Am 13. Juni 2022 waren wir vor Ort und haben viele Fragen gestellt:
Nach welchen Kriterien entscheiden Sie sich für eine Bewerberin oder einen Bewerber? Gibt es Ausschlusskriterien?
Florian Serdjukow: Wir gucken relativ wenig auf das Zeugnis, eher ob die Unterlagen ordentlich geführt sind. Wenn es dann zum Gespräch kommt, schauen wir uns mehr das Persönliche an und gehen wenig ins Fachliche. Hat der Bewerber wirklich Lust und weiß was er will. Wie ist er menschlich drauf? Sicher gucken wir auch auf die Versäumnistage, da frage ich auch manchmal nach. Aber entscheidend ist, steht der Bewerber gut im Leben oder ist das alles sehr wackelig.
Wie finden Sie Ihre Bewerber*innen?
Florian Serdjukow: Wir bekommen unterschiedlich viele Bewerbungen, letztes Jahr waren es sehr wenige. Dieses Jahr kommen wesentlich mehr Bewerbungen. Aber es ist auffällig, dass die Bewerbungen dieses Jahr viel später kommen, ab Mai vermehrt. Normalerweise wäre die Bewerbungszeit eher im Frühjahr.
Michael Huwald: Wir nutzen viel die Jobportale, z.B. die Börse der Handwerkskammer, Arbeitsagentur, Azubi21 u.a. und informieren in den sozialen Medien. Aber wir kennen viele kleine Firmen mit zwei oder drei Mitarbeiter*innen, die bekommen null Bewerbungen. Es ist eine dramatische Entwicklung. Noch sind wir nicht betroffen, weil wir größer sind, diese Qualität bieten und außerdem auch in der Öffentlichkeit präsent sind, über die Kampagne der Handwerkskammer oder soziale Medien.
Sie waren im Mai beim Matching an der Berufsbildenden Schule Metall- und Elektrotechnik dabei. Wenn es noch mehr Matching-Formate wie Messen oder anderes gäbe, wären sie offen?
Florian Serdjukow: Im Frühjahr hatten wir wenig Bewerbungen, so dass wir uns am Matching an der BBS ME beteiligt haben und das war auch gut. Was ich mir noch vorstellen könnte ist, dass wir von den Schulen die Informationen zu den Praktika bekommen und mehr Praktikanten über die Schulen bekommen. Da haben wir selten Bewerbungen.
Michael Huwald: Ich könnte mir vorstellen, dass wir bei den Schulen auf die Liste gesetzt werden als Praktikumsbetrieb oder als Kooperationspartner mit den Schulen arbeiten.
Gibt es Unterschiede in den Gesprächen zu der Zeit vor Corona?
Florian Serdjukow: Das ist schwer zu sagen, es gibt immer die Jugendlichen, bei denen sieht man gar keine Vorbereitung, auch keine Ambitionen. Man hat das Gefühl, es ist wie eine Pflichtveranstaltung. Dann gibt es Jugendliche, die total aufgeregt sind und gar nicht wissen, was sie erzählen sollen, weil sie unbedingt diesen Ausbildungsplatz wollen und dann gibt es die, die sich einfach gut verkaufen, die gut dastehen und wissen, was sie wollen. Ich würde keinen Strich ziehen und sagen vor Corona nach Corona.
Wie gehen Sie mit Vielfalt um, gibt es z.B. bestimmte Werte und Regeln im Betrieb, die sich auf die Zusammenarbeit beziehen?
Florian Serdjukow: Wenn die Azubis starten bekommen sie eine DIN A 4 Seite mit Spielregeln. Wir schauen sehr konsequent danach, dass sie sich an diese Regeln halten. Unter anderem, dass die Berichtshefte regelmäßig abzugeben sind, dass man die Sicherheitsschuhe trägt, den Werkzeugkoffer von Baustelle zu Baustelle mitnimmt. Zu Beginn meiner Tätigkeit bei Elektro Rieger habe ich diese Regeln aufgestellt, sie wurden auch mit dem Betriebsrat abgestimmt. Alle Azubis unterschreiben, dass sie es gelesen haben und halten sich auch daran.
Wie profitieren Sie von der Vielfalt? Was sind die Chancen für Ihr Unternehmen?
Michael Huwald: Wir sind total froh, dass wir diese Vielfalt im Unternehmen haben. Zum einen wäre sonst der eine und andere Ausbildungs- oder Arbeitsplatz nicht besetzt, aber gerade die Kollegen mit Migrationshintergrund haben eine andere Mentalität, vor allem der Wille zu arbeiten, eine hohe Bereitschaft, sich reinzuhängen. Man sieht das z.B. auch bei der Krankheitsquote.
Wie gehen Sie mit individuellen Bedürfnissen oder Konflikten um?
Florian Serdjukow: Wir sprechen darüber und finden immer eine gemeinsame Lösung.
Michael Huwald: Es gibt auch keine Vorbehalte von den Kollegen auf den Baustellen. Was gar nicht gehen würde, ist rechtsradikales Gedankengut von Mitarbeiter*innen. Aber so jemanden würden wir auch nicht einstellen.
Florian Serdjukow: Bei Schwierigkeiten sprechen wir mit allen Beteiligten und sagen auch, wenn uns etwas nicht gefällt.
Was wünschen Sie sich als Unterstützung bei der Suche nach passenden Auszubildenden und auch während der Ausbildung?
Michael Huwald: Ich würde mir wünschen, dass in den Schulen nochmal anders auf das Thema Berufsvorbereitung und Berufswahl eingegangen wird. Man merkt, es ist alles sehr auf Wissensvermittlung fokussiert. Das bezieht sich nicht nur auf die Berufswahl, sondern auch auf alles andere da draußen, vom Handyvertrag bis zu Versicherungen, also einfach auf das Leben vorbereitet zu werden. Dazu reicht die Praktikumswoche nicht aus. Wichtig ist, sich mit selbst auseinandersetzen und zu wissen: Das sind die möglichen Ausbildungswege und Berufe. Dann kann ich erst entscheiden, welcher Weg in meinem Leben der richtige ist, zumindest für die nächsten Jahren. Es wäre schön, wenn die Jugendlichen auf diesem Weg nicht nur auf die Eltern und Freunde angewiesen wären, sondern auch von Schule und Bildungsträgern Angebote gemacht werden.
Florian Serdjukow: Die Kommunikation mit der BBS ist manchmal schwierig, man bekommt die Anmeldedaten manchmal sehr spät. Einmal haben wir die Einschulung verpasst, weil wir die Information nicht bekommen haben. Man muss hier viel hinterher telefonieren, vor allem zum Ausbildungsstart. Wir hatten jetzt einen Auszubildenden, der seine Ausbildung erst im Januar begonnen hatte. Das letzte halbe Jahr hatte er ja keine Schulklasse mehr. Wir mussten bei der BBS hinterher telefonieren, in welche Klasse er denn jetzt eigentlich gehen wird. Das war lange nicht klar und das ist stark verbesserungsdürftig.
Michael Huwald: Probleme gibt es auch im Ausbildungszentrum der Handwerkskammer in Garbsen. Einige überbetriebliche Lehrgänge wurden gestrichen, es fehlt an Ausbildern dort. Manche Meister gehen in die freie Wirtschaft. Das ist sehr schade, drei von zwölf Blöcken wurden gestrichen. Es ist noch nicht so richtig klar, wie damit umgegangen wird.
Was würden Sie Unternehmen empfehlen, die zum ersten Mal Jugendliche mit Migrationserfahrung ausbilden?
Florian Serdjukow: Ich wüsste nicht, was man da groß an Vorbereitung braucht. Einfach durchstarten.
Michael Huwald: Den Kopf aufmachen und flexibel sein.
Florian Serdjukow: Es gibt nichts wo ich sagen würde, darauf müssen sie jetzt besonders achten.
Herr Haji, wie lange sind sie in Deutschland und aus welchem Land kommen Sie?
Matyos Haji: Ich komme aus dem Irak. Mit 16 Jahren bin ich mit der Familie nach Deutschland gekommen, jetzt bin ich 23 Jahre alt. Zuerst habe ich zwei Jahre Deutsch gelernt bis zum B2 Niveau. Damals wohnten wir in Bad Salzuflen, aber es gab dort nicht viele Chancen, einen Ausbildungsplatz zum Elektroniker zu finden. Deshalb bin ich nach Hannover gezogen. Hier habe ich in einem kleinen Unternehmen einen Platz gefunden.
Wie haben Sie ihren ersten Ausbildungsbetrieb gefunden?
Matyos Haji: Damals habe ich bei MCDonalds gearbeitet und der Meister des Unternehmens hat dort immer seinen Kaffee geholt und wir haben uns unterhalten. So habe ich den ersten Ausbildungsplatz gefunden. Aber wir kamen nicht gut klar. Ich musste vier Monate warten, bis ich meine Arbeitskleidung und Sicherheitsschuhe bekam. Manchmal musste ich acht Stunden durcharbeiten und durfte keine Pause machen. Ich habe dort aufgehört und gedacht, es ist überall in den Betrieben so. Aber es ist nicht so. Zum Glück habe ich weitergemacht und Elektro Rieger gefunden.
Wie haben Sie den Ausbildungsplatz bei Elektro Rieger gefunden?
Matyos Haji: Durch die Oskar-Kämmer-Schule, dort hat man mir geholfen, die Ausbildung bei Elektro Rieger weiterzumachen. Ich war bei der Agentur für Arbeit, die mich an die Oskar-Kämmer-Schule vermittelt hat.
Michael Huwald: Wir haben zum ersten Mal einen Auszubildenden über die Oskar-Kämmer-Schule. Das ist für uns eine Win-Win-Situation, denn es ist ja wie eine verlängerte Probezeit und dass Herr Haji hier so gut einschlägt und einen so guten Job macht, das hat uns umso mehr gefreut.
Jetzt kann ich sagen, ich hätte Herrn Haji auch so eingestellt, aber das weiß man ja vorher nicht. Es ist gut, dass es so einen Bildungsträger wie die Oskar-Kämmer-Schule gibt, für die Jugendlichen, die Unterstützung brauchen. Aber eigentlich ist Herr Haji kein Kandidat dafür, er hätte sicher auch mit Bewerbungen einen neuen Ausbildungsbetrieb gefunden, nachdem er schon zwei Jahre Ausbildung gemacht hatte und mit seiner Arbeitseinstellung.
Herr Haji, welche Unterstützung bekommen Sie von der Oskar-Kämmer-Schule?
Matyos Haji: Ich habe immer Blockunterricht in der Berufsschule. Wenn ich Arbeitswochen haben, besuche ich donnerstags immer die Oskar-Kämmer-Schule und bekomme Hilfe z.B. beim Berichtsheft oder wenn ich eine Frage nicht verstanden habe.
Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden und wir läuft es in der Ausbildung?
Matyos Haji: Ich wollte immer schon Elektroniker werden, schon als Kind wollte ich immer mit Strom arbeiten. Meine Ausbildung ist 90 % Mathe, das kann ich sehr gut, aber ich verstehe manchmal den Text nicht. Ich lese die Aufgaben und frage mich: Was will man von mir wissen? Der Text ist schwer. Wenn ich die Frage verstanden habe, kann ich das sehr gut machen. Anfang Januar ist meine Prüfung nach insgesamt dreieinhalb Jahren.
Was gefällt Ihnen gut an der Ausbildung bei Elektro Rieger?
Matyos Haji: Mir gefällt alles gut, vor allem gegenüber der alten Firma. Bei Elektro Rieger habe ich alles gleich bekommen, Arbeitskleidung und -schuhe, Schutzbrillen, einfach alle Sachen für die Arbeit. Ich habe jetzt ganz neu eine Werkzeugtasche bekommen, die ich mitnehme von einer Baustelle zur anderen.
Die Leute gefallen mir hier, alle sind sehr nett, man kann sich mit allen unterhalten, mit dem Chef, dem Betriebsleiter, den Monteuren, den anderen Azubis. Wir verstehen uns halt gut. Es gibt Leute die aus verschiedenen Ländern kommen, das ist auch gut, man lernt neue Kulturen von den anderen kennen.
Wir haben ein festes Team, wir arbeiten mal auf Großbaustellen, in kleinen Wohnungen, im Kundendienst. Wir bekommen den Plan immer Ende der Woche für die nächste Woche. Am liebsten mache ich Kundendienst, das ist am besten. Aber ich habe auch keine Probleme, wenn ich auf der Großbaustelle arbeite.
Was würden Sie anderen Jugendlichen empfehlen, die auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind?
Matyos Haji: Zuerst ich würde sagen, dass man die Sprache lernen muss. Es gibt viele Möglichkeiten in Hannover, es gibt viele Schulen und viele Kurse. Nach ein bis zwei Jahren Sprache lernen wäre eine Ausbildung sehr gut. Jeder der kommt muss irgendwann arbeiten, dafür braucht man zuerst die Sprache und ich würde sagen, für die Unterstützung ist die Agentur für Arbeit sehr gut.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Matyos Haji: Ich möchte in Deutschland bleiben, hier ist es sicher, was das Leben angeht und die Gesundheit. Wenn ich ein gutes Leben haben will, muss ich arbeiten. Ich mache meine Ausbildung zu Ende und ich werde bei Elektro Rieger weitermachen.

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